Neues aus der Welt der Betriebsräte

Basiswissen Mitbestimmung

Die 10 wichtigsten Fragen aus der Praxis und die dazu passenden 10 Antworten. Auf den Punkt gebracht. So verlieren Sie keine Zeit.

1. Welche Beteiligungsrechte gibt es?

Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat bei vielen Maßnahmen und Entscheidungen im Betrieb beteiligen. So steht es im Betriebsverfassungsgesetz. Die Beteiligungsrechte reichen von reinen Informationsansprüchen über Mitwirkungsrechte bis zu Mitbestimmungsrechten.

Was sind die Unterschiede?

In einigen Fällen hat der Betriebsrat lediglich Informationsansprüche. Das heißt: Er kann vom Arbeitgeber verlangen, dass dieser ihn informiert. Kernvorschrift dieser schwächsten Beteiligungsform des Betriebsrats ist § 80 BetrVG.

In anderen Bereichen hat er Anhörungsrechte und Beratungsrechte. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber die Themen mit dem Betriebsrat besprechen und seine Meinung anhören. Am Ende entscheidet aber der Arbeitgeber. Wichtigstes Anhörungsrecht ist die Anhörung des Betriebsrats bei einer Kündigung (§ 102 BetrVG).

Die stärkste Waffe des Betriebsrats sind die echten Mitbestimmungsrechte. Der Arbeitgeber kann hier nur solche Maßnahmen ergreifen, denen der Betriebsrat zugestimmt hat. Verweigert dieser die Zustimmung, muss die Maßnahme unterbleiben. Rechtliche Grundlage ist der § 87 des Betriebsverfassungsgesetzes.

In den meisten Fällen der echten Mitbestimmung kann der Betriebsrat selbst die Initiative ergreifen, wenn er eine Regelung oder Betriebsvereinbarung erreichen will. Der Arbeitgeber muss dann mit dem Betriebsrat verhandeln. Einigen sich die beiden nicht, kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Daher spricht man von » erzwingbarer Mitbestimmung «.

2. Wie sieht die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten (§87 BetrVG) aus?

Der Betriebsrat hat bei sozialen Angelegenheiten starke Mitbestimmungsrechte. Der Arbeitgeber kann hier ohne Zustimmung des Betriebsrats keine Maßnahme umsetzen. Kernvorschrift ist der § 87 Abs. 1 BetrVG mit 14 Unterpunkten.

► Ordnung im Betrieb (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG)

Bei Anweisungen zur Ordnung im Betrieb muss der Betriebsrat mitbestimmen. Dazu gehören: das Tragen von Arbeits- oder Berufskleidung, Taschen- oder Torkontrollen, Parkplatzordnungen, Krankenrückkehrgespräche, Nutzung von privaten E-Mails und Internet, Ethik- und Compliance-Regeln. Nicht gemeint sind reine Arbeitsanweisungen, die die Ausführung der konkreten Arbeit betreffen (Details dazu unter Frage 3).

► Arbeitszeit – Beginn und Ende (§ 87 Abs. 1 Nr. 2)

Mitbestimmungspflichtig sind Regelungen zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, die Einführung von Gleit- und Vertrauensarbeitszeit, die Aufstellung von Dienst- und Schichtplänen, die Einführung von Arbeitszeitkonten, Telearbeit, Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst.

Die Dauer der Arbeitszeit unterliegt nicht der Mitbestimmung. Sie ist im Tarif- oder Arbeitsvertrag der Beschäftigten geregelt (Details dazu unter Frage 4).

► Überstunden und Kurzarbeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 3)

Mitbestimmen kann der Betriebsrat, wenn der Arbeitgeber die Arbeitszeit für einen gewissen Zeitraum verlängern (Überstunden) oder verkürzen (Kurzarbeit) möchte (Details dazu unter Frage 5).

► Arbeitsentgelt – Zeit, Ort, Dauer der Auszahlung (§ 87 Abs. 1 Nr. 4)

Dieser Mitbestimmungstatbestand hat seit Einführung der bargeldlosen Überweisung an Bedeutung verloren, denn Regelungsbedarf über Details der Auszahlung besteht nicht mehr. Nicht von der Mitbestimmung erfasst sind Fragen der Entgelthöhe oder der Eingruppierung.

► Urlaub (§ 87 Abs. 1 Nr. 5)

Geht es um das Festlegen von Urlaubsgrundsätzen im Betrieb, nach denen der Urlaub zu gewähren ist, so muss der Betriebsrat mitbestimmen. Dazu gehören Regelungen über das Bewilligungsverfahren, die Verteilung des Urlaubs innerhalb des Jahres, die Frage der Übernahme auf das Folgejahr, Urlaubssperren etc. Auch Bildungsurlaub, Sabbaticals, Sonderurlaub für Schwerbehinderte fallen darunter.

► Verhaltens- und Leistungskontrolle (§ 87 Abs. 1 Nr. 6)

Diese wichtige Mitbestimmungsvorschrift betrifft die Einführung nahezu aller Softwaresystem oder kommunikationstechnischer Systeme (IKT) im Betrieb – vom PC, über mobile Geräte bis hin zur umfassenden Personal- oder Unternehmenssoftware. Immer dann, wenn diese Geräte auch nur objektiv dazu geeignet wären, Daten der Mitarbeiter zu erfassen und Kontrolle über Verhalten oder Leistung des Mitarbeiters auszuüben, muss der Betriebsrat mitbestimmen.

► Gesundheits- und Arbeitsschutz (§ 87 Abs. 1 Nr. 7)

Bei Maßnahmen, die der Arbeitgeber zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten ergreift, muss der Betriebsrat fast immer mitbestimmen. Jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber nicht bloße Gesetzesvorgaben umsetzt, sondern – wie in der Mehrheit der Fälle - gestaltend tätig wird. Mitbestimmen muss der Betriebsrat bei der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG. Jeder Betrieb muss demnach jeden Arbeitsplatz nach physischen und psychischen Gefährdungen bewerten. Das betrifft

  • wie die Gefährdungsbeurteilung (Fragebogen, Anschauen des Arbeitsplatzes) durchgeführt wird und
  • welche Einzelmaßnahmen sich daraus ergeben.

► Betriebliche Sozialeinrichtungen (§ 87 Abs. 1 Nr. 8)

Der Betriebsrat darf bei der Ausgestaltung aller Sozialeinrichtungen in allen Details – bis hin zur Preisgestaltung der Kantine - mitbestimmen. Sozialeinrichtungen sind neben Kantine auch Betriebskindergarten, Sport- oder Erholungseinrichtungen und solche Angebote des Arbeitgebers, die den Beschäftigen über das reine Entgelt hinaus Vorteile verschaffen. Damit zählen Pensions- und Unterstützungskassen sowie Beschäftigungsgesellschaften dazu. Nicht mitzubestimmen hat der Betriebsrat bei der Gründung und Abschaffung einer sozialen Einrichtung.

► Werkswohnungen (§ 87 Abs. 1 Nr. 9)

Manche Arbeitgeber stellen Dienstwohnungen zur Verfügung. Dies nicht nur für Saisonarbeiter, sondern vielfach auch für höhere oder Leitende Angestellte - jedenfalls für eine gewisse Zeit. Der Betriebsrat hat bei allen die Verwaltung dieser Wohnungen betreffenden Entscheidungen mitzubestimmen.

► Betriebliche Entgeltgestaltung (§ 87 Abs. 1 Nr. 10)

Bei allen Fragen der kollektiven Lohngestaltung im Betrieb hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht. Führt der Arbeitgeber bestimmte Vergütungsordnungen oder Entlohnungsmethoden ein, so benötigt er die Zustimmung des Betriebsrats. Allerdings: Die Entgelthöhe fällt nicht darunter.

Die Mitbestimmung betrifft alle Formen der vom Arbeitgeber gewährten Vergütung, damit auch die private Nutzung von Firmenwagen, vermögenswirksame Leistungen, Mietzuschüsse und Firmenkreditkarten, nicht allerdings Zahlungen, die – wie Spesen – reinen Aufwendungsersatz darstellen.

Bestehen tarifvertragliche Regelungen, so greift die Mitbestimmung im Grundsatz nicht. Allerdings gibt es auch bei Tarifverträgen immer wieder sog. Öffnungsklauseln, die es den Betrieben ermöglichen, auf Betriebsebene oder der Ebene eines einzelnes Arbeitsverhältnisses von den Regelungen des Tarifvertrags abzuweichen, um die notwendige Flexibilität gegenüber Flächentarifverträgen zu gewährleisten (Beispiel: Pforzheimer Abkommen, das eine Dezentralisierung ermöglicht).

► Akkord-/Prämiensätze, Leistungsentgelt (§ 87 Abs. 1 Nr. 11)

Bei allen Fragen der Leistungsentlohnung besteht ein Mitbestimmungsrecht soweit es darum geht, die Kriterien für die Ermittlung des konkreten Einkommens in einem System festzulegen. Dies betrifft sowohl Regelungen für Akkord- und Prämiensätze als auch Zielvereinbarungen für bestimmte Bereiche, wenn die Höhe des Entgelts an das Erreichen bestimmter Leistungen gebunden ist. Dabei kann die Leistung auch an bestimmte Kriterien wie Kundenzufriedenheit geknüpft sein. Der Betriebsrat muss darauf hinwirken, dass die Kriterien für die Leistungsbemessung in jedem Fall möglichst transparent sind.

► Betriebliches Vorschlagwesen (§ 87 Abs. 1 Nr. 12)

Verbesserungsvorschläge der Arbeitnehmer im Betrieb sind immer willkommen. Teilweise gibt es in Unternehmen klar definierte Grundsätze zur der Frage, wie diese Vorschläge geprüft, bewertet und – was oft der Fall ist – vergütet bzw. mit Sonderprämien versehen werden. Beim Aufstellen dieser Grundsätze muss der Betriebsrat beteiligt werden.

► Gruppenarbeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 13)

Überträgt der Arbeitgeber einer Gruppe von Arbeitnehmern die Erledigung einer bestimmten Aufgabe eigenverantwortlich, so spricht man von Gruppenarbeit. Der Betriebsrat hat bei der Ausgestaltung mitzubestimmen, d.h. bei den Grundsätzen über die Durchführung der Gruppenarbeit. Er muss darauf achten, den Gefahren (Ausgrenzung schwächerer Arbeitnehmer, Konfliktpotential) entgegen zu wirken. In der Regel wird es auf eine Betriebsvereinbarung hinauslaufen.

► Mobile Arbeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG)

Seit Juni 2021 gibt es ein neues Mitbestimmungsrecht für mobile Arbeit, das durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz neu eingefügt wurde. Der Betriebsrat muss daher bei der Frage, wie mobile Arbeit im Detail auszugestalten ist, immer mitbestimmen. Wenn es also um die Frage der Arbeitszeit, des Arbeitsschutzes oder der Erreichbarkeit von mobil Arbeitenden geht, geht das nicht ohne Betriebsrat. Die Frage, »ob« überhaupt mobile Arbeit eingeführt wird, verbleibt allerdings beim Arbeitgeber. Der Betriebsrat hat folglich auch kein echtes Initiativrecht für mobiles Arbeiten.

3. Der Chef gibt Anweisung, was kann der Betriebsrat tun?

Der Arbeitgeber bestimmt, wie welche Arbeit auszuführen ist. Anweisungen, die rein die Arbeitsausführung betreffen, fallen unter das Direktionsrecht des Arbeitgebers. Hier hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht. Anders, wenn es um Ordnungsregeln im Betrieb geht (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG).

Warum wird bei Weisungen des Chefs unterschieden, ob sie das „Arbeitsverhalten“ oder das „Ordnungsverhalten“ betreffen?

Weisungen, die das reine Arbeitsverhalten betreffen und erklären, wie die Arbeit konkret auszuführen ist, gehören zum Direktionsrecht des Arbeitgebers. Das bestimmt der Arbeitsvertrag. Der Arbeitnehmer muss die Weisungen befolgen, ohne dass der Betriebsrat eingeschaltet wird.

Anders allerdings bei Weisungen, die das Ordnungs- oder Arbeitsverhalten allgemein im Betrieb betreffen. Sie erfordern die Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Die Abgrenzung ist oft schwierig.

Darf der Chef ohne Betriebsrat Dienstkleidung einführen?

Nein – darf er nicht. In der Regel jedenfalls. Nur dann, wenn Dienstkleidung aus Gründen des Arbeitsschutzes erforderlich ist, ergibt sich die Anweisung aus dem Direktionsrecht (§ 106 GewO). In diesem Fall hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht.

Anders, wenn der Arbeitgeber die Dienstkleidung zum Beispiel aus Imagegründen einführen will. Dann geht es ums „Ordnungsverhalten“ im Betrieb. Folglich muss der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats einholen oder eine Betriebsvereinbarung abschließen (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG).

Darf der Chef den Mitarbeitern die Annahme von Werbegeschenken verbieten?

Ja – darf er. Allerdings kann der Arbeitgeber solche Anweisungen nicht einseitig erlassen. Es handelt sich nicht um Arbeitsanweisungen, vielmehr ist die Ordnung im Betrieb betroffen. Der Betriebsrat muss mitbestimmen (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG).

Üblicherweise werden Verbote, Geschenke oder Einladungen anzunehmen, in sogenannten »Ethikrichtlinien« für den Betrieb formuliert. Letztlich sind diese, da sie mit dem Betriebsrat zu vereinbaren sind, formal Betriebsvereinbarungen. Oftmals sehen sie vor, dass Geschenke bis zu einem bestimmten geringen Wert (30 €) zulässig sind.

Darf der Chef ohne Betriebsrat Taschenkontrollen einführen?

Nein – nicht ohne weiteres. Taschenkontrollen sind ein erheblicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter. Daher sind Taschenkontrollen am Werkstor oder Leibesvisitationen aus rein präventiven Gründen – um beispielsweise den Verlust von Waren zu verhindern oder Diebstahl zu bekämpfen – nicht ohne weiteres zulässig. Der Arbeitgeber benötigt dafür eine Rechtsgrundlage. In jedem Fall muss der Betriebsrat mitbestimmen.

Darf der Chef das Rauchen verbieten?

Ja - darf er. Der Arbeitgeber ist berechtigt, das Rauchen am Arbeitsplatz zu verbieten. Allerdings: Solche Pauschalregelungen unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrats, da sie das „Ordnungsverhalten“ im Betrieb betreffen (§ 87 Abs. 1 Nr. 1). Wünschen Mitarbeiter eine Raucherpause, so müssen sie – sofern die Arbeitszeitregelung dies so vorsieht – sich für eine Raucherpause ausstempeln.

Muss ein Arbeitnehmer „unbillige Weisungen“ des Chefs befolgen?

Nein – neuerdings nicht mehr. Ein Arbeitnehmer braucht „unbillige“, also rechtswidrige und daher letztlich unwirksame Weisungen des Arbeitgebers nicht zu befolgen.  So lautet nun ein neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG 14.9.2017 – 5 AS 7/17), das damit seine bisherige Rechtsprechung aufgibt. Zuvor hieß es nämlich immer: ein Arbeitnehmer hatte jeglicher Weisung zu folgen, ansonsten drohte ihm der Verlust des Vergütungsanspruchs, im schlimmsten Fall sogar die Kündigung. Dies ist nun anders. Ist der Arbeitnehmer also der festen Überzeugung, eine Weisung seines Chefs – etwa eine Versetzung an einen anderen Standort – sei unzulässig und folglich unwirksam, so kann er sich weigern, diese zu befolgen. Stellt sich dann allerdings in einem Gerichtsprozess letztlich heraus, dass die Weisung doch rechtens und damit wirksam war, so muss der Arbeitnehmer die Konsequenzen bis hin zu einer Kündigung tragen. War die Weisung tatsächlich nicht rechtens und damit unwirksam, hat er alles richtig gemacht. Ihm drohen keinerlei arbeitsrechtliche Konsequenzen.

 

4. Wann muss der Betriebsrat bei Arbeitszeitregeln zustimmen?

Die Arbeitszeit zu regeln, zählt zum Kerngeschäft des Betriebsrats. Er hat hier weitreichende Mitbestimmungsrechte. Wichtigste Vorschrift für die Arbeitszeit ist § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Ohne Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeit kommt kaum ein Unternehmen aus.

Kann der Betriebsrat immer bei Arbeitszeit mitbestimmen?

Nein. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats erstreckt sich nicht auf die Dauer der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitszeit. Die ist im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag geregelt. Ein Recht auf Mitbestimmung hat der Betriebsrat aber bei fast allen Fragen, die das Verteilen der Arbeitszeit auf die Wochentage, Beginn und Ende der Arbeitszeit, Pausen, Wochenend- und Nachtarbeit betreffen (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG).

Hat der Betriebsrat bei Schichtplänen mitzubestimmen?

Ja. Will der Arbeitgeber Schichtarbeit einführen, so muss er alle Regelungen dazu im Detail mit dem Betriebsrat abstimmen. Zum Beispiel: Ob überhaupt in Schicht gearbeitet wird und wie die Schichtpläne aussehen, wie viele Schichten gefahren, wie die Mitarbeiter den Schichten zugeordnet werden und welche Leiharbeiter wann arbeiten.

Ist Gleitzeit mitbestimmungspflichtig?

Ja. Zwar nicht beim Umfang, aber bei allem, was zu Beginn und Ende der Arbeitszeit einschließlich der Pausen zu regeln ist. Dazu zählen Vereinbarungen zu Gleitzeit (»gleitender Arbeitszeit«), Kern­arbeitszeit, Arbeitszeiterfassung, Vertrauensarbeitszeit und sonstige flexible Arbeitszeitmodelle. Üblicherweise werden dazu Betriebsvereinbarungen getroffen.

Sind Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst mitbestimmungspflichtig?

Ja. Beides sind Arbeitszeitmodelle, bei denen sich Beschäftigte abrufbereit halten müssen. Bei der Rufbereitschaft – auch Hintergrunddienst genannt – kann der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort zwar frei bestimmen, muss allerdings mobil erreichbar und in der Nähe des Einsatzortes bleiben. Die Zeit der Rufbereitschaft liegt außerhalb der Arbeitszeit und ist nicht vergütungspflichtig. Beim Bereitschaftsdienst muss sich der Arbeitnehmer an einem mit dem Arbeitgeber vereinbarten Ort aufhalten. In der Regel ist das der Betrieb.

Kann der Betriebsrat Arbeitszeit­regelungen von sich aus vorschlagen?

Ja. Der Betriebsrat kann von sich aus vorpreschen und dem Arbeitgeber Gleit- oder Vertrauensarbeitszeit vorschlagen. Kommt keine Einigung zustande, kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Diese entscheidet für beide Seiten verbindlich.

5. Wann kann der Betriebsrat bei Überstunden und Kurzarbeit mitbestimmen?

Die wöchentliche Arbeitszeit, die jeder zu leisten hat, ist im Tarif- oder im Arbeitsvertrag geregelt. Der Betriebsrat kann bei der Dauer der Arbeitszeit nicht mitbestimmen. Will der Arbeitgeber allerdings davon „vorübergehend“ abweichen und die Arbeitszeit für kurze Zeit verlängern (Überstunden) oder verkürzen (Kurzarbeit), muss der Betriebsrat mitbestimmen. Dieses Mitbestimmungsrecht ist in § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG geregelt.

Kann der Arbeitgeber einfach Überstunden anordnen?

Nein. Die wöchentliche Arbeitszeit ist genau geregelt, und zwar entweder im Tarif- oder im Arbeitsvertrag. Niemand ist verpflichtet, über diese vereinbarte Arbeitszeit hinaus Überstunden zu leisten. Auch das Direktionsrecht des Arbeitgebers berechtigt diesen nicht dazu, Überstunden anzuordnen. Der Arbeitgeber benötigt arbeitsrechtlich eine Rechtsgrundlage. Das können sein: eine Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer (sog. „Überstundenklausel“), eine Betriebsvereinbarung oder eine Festlegung im Tarifvertrag. Überstunden dürfen immer nur „vorübergehend“, d.h. für eine kurze Zeit angeordnet werden.

Der Arbeitgeber muss bei Überstunden immer die Mitbestimmungsrechte beachten. Dies gilt in der Regel auch dann, wenn nur wenige oder sogar nur ein Mitarbeiter von der Überstundenanordnung betroffen sind.

 

Gibt es für Überstunden Grenzen durch das Arbeitszeitgesetz?

Ja. Grundsätzlich sieht das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) eine Höchstarbeitszeit von 8 Stunden pro Tag vor – von Montag bis Samstag. Diese Höchstarbeitszeit kann um 2 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von 6 Monaten oder innerhalb von 24 Wochen der Durchschnitt von 8 Stunden nicht überschritten wird. Dafür bedarf es dann aber gesonderter Regelungen im Tarif- oder Arbeitsvertrag oder in der Betriebsvereinbarung. Besondere gesetzliche Regelungen gelten für schwerbehinderte Arbeitnehmer, für Jugendliche (nicht mehr als 8 Stunden täglich) und werdende Mütter.

Muss der Betriebsrat auch mitbestimmen, wenn die Beschäftigten freiwillig Überstunden leisten?

Ja. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates entfällt nicht, wenn Mitarbeiter die Wochenendarbeit "freiwillig" verrichten. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) ist der Ansicht, dass nicht nur die Anordnung, sondern auch die Duldung der von Arbeitnehmern freiwillig geleisteten Überstunden mitbestimmungspflichtig ist (BAG 24.04.2007 - 1 ABR 47/06 ). Dies folgt bereits aus dem Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates, das kollektiven Interessen dient.

Der Arbeitgeber will Kurzarbeit einführen, geht das so einfach?

Nein. Die Kurzarbeit dient dazu, vorübergehend die vereinbarte Arbeitszeit zu reduzieren. Diese Möglichkeit besteht in Krisensituationen, um Personalkosten zu sparen, die Arbeitsplätze aber zu erhalten. Die Beschäftigten erhalten als Ersatz für das ausgefallene Einkommen von der Agentur für Arbeit Kurzarbeitergeld. Voraussetzung ist ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung. In jedem Fall muss der Betriebsrat mitbestimmen und die Details der Kurzarbeit (Zeitraum, welche Abteilungen betroffen sind etc.) mit dem Arbeitgeber klären.

6. Was gilt für Personalfragebögen, Auswahlrichtlinien und Berufsbildung?

Personal ist sensibel. Personalfragebögen zum Beispiel dürfen immer nur solche Fragen enthalten, die auf das Arbeitsverhältnis und den konkreten Arbeitsplatz abzielen. Der Betriebsrat muss immer mitbestimmen, § 94 BetrVG. Auch bei Beurteilungsgrundsätzen und bei Auswahlrichtlinien muss gesichert sein, dass die Bewertung der Mitarbeiter nach objektiven Kriterien erfolgt. Ein Mitbestimmungsrecht besteht nach § 95 BetrVG.

Was heißt Mitbestimmung bei Personalfragebögen?

Mit standardisierten Personalfragebögen beschaffen sich Arbeitgeber Informationen über persönliche Verhältnisse, Kenntnisse und Fähigkeiten der Arbeitnehmer. Dies ist allgemeine Praxis. Unerlässlich ist, dass der Betriebsrat am Zuschnitte der Fragebögen mitwirkt und ihnen zustimmt. So steht es in § 94 BetrVG.

Der Betriebsrat muss vor allem darauf achten, dass nur Fragen gestellt werden, die für den bestimmten Zweck – etwa die Durchführung des Arbeitsverhältnisses – erforderlich sind. Unzulässig sind Fragen zur ethnischen Herkunft oder zur Gewerkschaftszugehörigkeit. Fragen nach bestimmten Krankheiten oder Vorstrafen können im Einzelfall – je nach Arbeit – zulässig sein.

Genauso einzubeziehen ist der Betriebsrat beim Aufstellen von Beurteilungsgrundsätzen (§ 95 BetrVG). Gemeint sind damit Regelungen im Unternehmen, die eine Bewertung der Leistung der Beschäftigten nach objektiven Kriterien ermöglichen sollen. Beurteilungsgrundsätze können aber auch in Leitlinien für Mitarbeitergespräche oder in digitalen Personal-Informationssystemen versteckt sein. Selbst Führungsrichtlinien, Assessment-Center oder Leistungstests können solche enthalten.

Muss der Betriebsrat bei Auswahlrichtlinien mitbestimmen?

Ja. Auswahlrichtlinien enthalten Grundsätze für die Personalauswahl. Sie können für die Einstellung, die Versetzung, Umgruppierung oder Kündigung gelten. Mit ihnen soll nach möglichst objektiven Kriterien eine Entscheidung über eine Personalauswahl getroffen werden. Es geht vor allem um die fachliche Qualifikation und persönliche Eignung für den Arbeitsplatz.

Ab einer Betriebsgröße von 500 Mitarbeiter kann der Betriebsrat sogar die Einführung von Auswahlrichtlinien verlangen.

Bei der Kündigung hingegen werden sich die Auswahlrichtlinien auf soziale Merkmale wie Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Familienstand beschränken.

Stellenbeschreibungen fallen nach Ansicht des BAG nicht unter die Regelung.

Kann der Betriebsrat bei der Berufsbildung mitbestimmen?

Ja. Bei der betrieblichen Berufsbildung hat der Betriebsrat ein echtes Mitbestimmungsrecht. Er kann bei Fragen zu Zeit, Inhalt, Umfang und Methode der Vermittlung von Kenntnissen mitbestimmen und auf die nähere Ausgestaltung der Fortbildungsmaßnahmen Einfluss nehmen. Fortbildungen der Leitenden Angestellten fallen nicht darunter.

 

7. Was heißt Mitbestimmung bei Einstellung, Versetzung, Umgruppierung?

Die Mitbestimmung bei personellen Maßnahmen gehört zu den wichtigsten Formen der Einflussnahme durch den Betriebsrat. Bei der Einstellung eines neuen Mitarbeiters, aber auch bei dessen Versetzung oder Eingruppierung hat der Betriebsrat ein echtes Vetorecht. Er kann die gewünschte Maßnahme daher verhindern. Bei der Kündigung eines Mitarbeiters geht das nicht.

Muss der Betriebsrat bei Einstellung, Versetzung, Ein- oder Umgruppierung mitbestimmen?

Ja. Will der Arbeitgeber einen neuen Mitarbeiter einstellen oder einen Arbeitnehmer auf eine andere Stelle versetzen oder tariflich ein- oder umgruppieren, geht das nicht ohne Betriebsrat. Dieser muss zustimmen (§ 99 BetrVG), sonst ist die Maßnahme unwirksam.

Dies gilt auch bei Leiharbeitnehmern. Bei Werk- oder Dienstverträgen kommt es darauf an, ob die Beschäftigten eingegliedert sind. Auch Probe-, Teilzeit-, Aushilfs- und Telearbeitsverhältnisse sind zustimmungspflichtig. Eventuell kann auch die Erhöhung der Arbeitszeit eines bereits Beschäftigten eine zustimmungspflichtige Einstellung sein.

Braucht der Betriebsrat einen bestimmten Grund für sein Veto?

Ja. Der Betriebsrat kann seine Zustimmung zu der geplanten Maßnahme nicht aus jedem beliebigen Grund verweigern. Etwa weil er die einzustellende Person für ungeeignet oder die Maßnahme für sachlich falsch hält. Das Gesetz hat im § 99 BetrVG, Absatz 2 einen Katalog mit Verweigerungsgründen aufgestellt. Nur wenn einer dieser Gründe vorliegt, ist die Verweigerung des Betriebsrats berechtigt.

Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat alle Unterlagen für die jeweilige Personalentscheidung zur Verfügung stellen. Für Einstellungen benötigt er also alle Bewerbungsunterlagen – auch die der übrigen Bewerber, damit er vergleichen kann.

8. Welche Rolle spielt der Betriebsrat bei Kündigungen?

Bei jeder Kündigung im Betrieb muss der Betriebsrat beteiligt werden. Sein Mitbestimmungsrecht ist schwächer ausgestaltet als bei Einstellungen und Versetzungen. Verhindern kann der Betriebsrat eine Entlassung nicht. Dennoch spielt er eine wichtige Rolle.

Hat der Betriebsrat bei Kündigungen ein Mitbestimmungsrecht?

Ja. Allerdings reicht es nicht weit. Es Mitbestimmungsrecht zu nennen – wie es der § 102 BetrVG tut – wird daher oft als „Etikettenschwindel“ bezeichnet.

Der Arbeitgeber muss bei jeder Kündigung eines Beschäftigten den Betriebsrat anhören (§ 102 BetrVG) und ihm vorher die Gründe der Kündigung darlegen. Ein echtes Vetorecht, das die Kündigung verhindert oder unwirksam macht, hat der Betriebsrat nicht.

Der Betriebsrat kann auf eine Kündigung wie folgt reagieren: Er kann Bedenken äußern (§ 102 BetrVG). Dies ist ein schwaches Mittel, da es keinerlei Rechtsfolgen hat. Allerdings können gut vorgebrachte und begründete Bedenken dem betroffenen Beschäftigten helfen.

Ein deutlich stärkere Reaktionsmöglichkeit des Betriebsrat ist der ebenfalls in § 102 BetrVG vorgesehene Widerspruch. Dieser führt zwar letztlich nicht dazu, dass die Kündigung automatisch unwirksam wird. Allerdings verbessert der Widerspruch des Betriebsrats die Position des gekündigten Mitarbeiters erheblich.

Was passiert beim Widerspruch gegen die Kündigung?

Widerspricht der Betriebsrat der Kündigung, so muss der gekündigte Mitarbeiter vorerst weiter beschäftigt werden – und zwar solange, bis ein Urteil im Kündigungsschutzprozess vorliegt. Dieser wichtige Weiterbeschäftigungsanspruch ist in § 102 Abs. 5 BetrVG geregelt. Denn in diesem Prozess, den der gekündigte Mitarbeiter selbst anstrengen muss und bei dem der Betriebsrat nur beraten kann, wird über die Wirksamkeit der Kündigung entschieden.

Gibt es bestimmte Vorgaben für den Widerspruch?

Ja. Die gibt es. Der Betriebsrat kann nicht einfach widersprechen, weil er die Kündigung für ungerecht oder ungeboten hält. Er muss sich an die im Gesetz vorgegebenen Widerspruchsgründe halten. Diese lauten (gem. § 102 Abs. 3 BetrVG) wie folgt:

  • Fehlerhafte Sozialauswahl (§ 102 Abs. Nr. 1 BetrVG)
    Bei jeder Kündigung sind soziale Gesichtspunkte zu berücksichtigen, ganz besonders gilt diese Vorgabe für betriebsbedingte Kündigungen. Kriterien für die Sozialauswahl sind dabei Länge der Betriebszugehörigkeit, familiäre Situation und Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung, Lebensalter und so fort. Pauschal lässt sich daher sagen, dass ein Familienvater mittleren Alters, der mehrere Kinder in der Ausbildung finanzieren muss und seit 20 Jahren im Betrieb arbeitet, sozial schutzwürdiger und eher vor Kündigungen zu bewahren ist, als ein jüngerer alleinstehender Kollege ohne lange Betriebszugehörigkeit. Für den Betriebsrat kann es unangenehm sein, wenn er namentlich andere Mitarbeiter, denen eher gekündigt werden, ins Spiel bringt.
  • Verstoß gegen Auswahlrichtlinien (§ 102 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG)
    In vielen, vor allem größeren Betrieben existieren gerade für Kündigungen Auswahlrichtlinien (§ 95 BetrVG). Diese heißen Kündigungsrichtlinien. Sie werden zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbart. Diese Richtlinien legen für betriebsbedingte Kündigungen die soziale Auswahl fest. Das heißt konkret: Sie regeln, wie die Kriterien Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflichten, Familienstand gewichtet werden und welche Mitarbeiter schutzwürdig sind. Häufig gibt es ein Punktesystem. Existieren in einem Betrieb Kündigungsrichtlinien ( Auswahlrichtlinien), muss sich der Arbeitgeber danach richten. Die Richtlinien selbst können nicht mehr überprüft werden.

    Wichtig für Kündigungsschutzprozesse: Existieren solche Auswahlrichtlinien, dann wird die soziale Auswahl im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft (1 Abs. 4 KSchG).
     
  • Weiterbeschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz (§ 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG)
    Der Betriebsrat kann der Kündigung widersprechen, wenn der Gekündigte ohne weitere Schulung oder Fortbildungsmaßnahmen und zu unveränderten Vertragsbedingungen an einem anderen Arbeitsplatz beschäftigt werden kann. Der Arbeitgeber muss keinen neuen Arbeitsplatz schaffen. Zu berücksichtigen sind auch Arbeitsplätze, die in absehbarer Zeit frei werden oder aktuell mit Leiharbeitnehmern besetzt sind.
     
  • Weiterbeschäftigung nach Qualifizierung (§ 102 Abs. 3. Nr. 4 BetrVG)
    Der Betriebsrat kann der Kündigung widersprechen, wenn der Gekündigte nach Umschulungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen an einem konkreten anderen Arbeitsplatz weiter beschäftigt werden kann. Dabei müssen die Umschulungsmaßnahmen für den Arbeitgeber im Einzelfall zumutbar sein.
     
  • Weiterbeschäftigung nach Vertragsänderung (§ 102 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG)
    Der Betriebsrat kann auch dann der Kündigung widersprechen, wenn der Arbeitnehmer unter geänderten (auch unter schlechteren) Arbeitsbedingungen zur Weiterbeschäftigung bereit wäre und dafür ein Arbeitsplatz in Betracht käme. Der Arbeitgeber hat in diesem Fall eine Änderungskündigung auszusprechen.

    Hält der Arbeitgeber an der Kündigung fest, muss er dem zu Kündigenden zusammen mit dem Kündigungsschreiben eine Kopie des Widerspruchschreibens des Betriebsrats aushändigen. Es soll dem Gekündigten die Argumentation bei einer Kündigungsschutzklage erleichtern.

 

9. Warum sind Betriebsvereinbarungen so wichtig?

Mitbestimmung und Betriebsvereinbarung hängen eng zusammen. Als verbindlicher Vertrag zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, der für alle Beschäftigten eines Betriebs Gültigkeit hat, ist die Betriebsvereinbarung das wichtigste Werkzeug des Betriebsrats. Hierüber kann er maßgeblich die Gestaltung im Betrieb beinflussen.

Sind Betriebsvereinbarungen immer möglich?

Ja – durchaus. Zwar beinhalten die meisten Betriebsvereinbarungen Themen, bei denen der Betriebsrat ein gesetzliches Mitbestimmungsrecht hat. Das sind vor allem die Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG. Ebenso aber auch die wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechte nach §§ 111 bis 112 a BetrVG. In all diesen Fällen der gesetzlichen Mitbestimmung können Betriebsvereinbarungen geschlossen werden, die dann für alle Beschäftigten verbindlich sind. Allerdings gibt es auch freiwillige Betriebsvereinbarungen, die zu nahezu allen Themen geschlossen werden können, sofern zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat hier Konsens besteht.

Verdrängt ein Gesetz oder Tarifvertrag eine Betriebsvereinbarung?

Ja. Besteht für ein Thema schon eine gesetzliche Regelung oder ein Tarifvertrag, dann kommt eine Betriebsvereinbarung nicht merh zum Zuge.

Eine Betriebsvereinbarung zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit beispielsweise ist grundsätzlich nichtig, da diese mit Blick auf die zulässige Maximalgrenze ausdrücklich gesetzlich geregelt ist, und die restlichen Regelungen Tarifverträgen vorbehalten bleiben.

Ausnahme: Der Tarifvertrag lässt, wie das häufiger in letzter Zeit vorkommt, ergänzende betriebliche Regelungen zu. Das heißt dann Öffnungsklausel.

Kern dieser Rechte ist die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG. Dazu gehören aber auch die wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechte nach §§ 111 bis 112 a BetrVG.

In all diesen Fällen der gesetzlichen Mitbestimmung können Betriebsvereinbarungen geschlossen werden, die dann für alle Beschäftigten verbindlich sind.

Ist ein Beschluss des Betriebsrats nötig?

Ja. Betriebsvereinbarungen kommen durch Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zustande. Auf Seiten des Betriebsrats ist ein wirksamer Betriebsratsbeschluss des gesamten Gremiums erforderlich. Die Zustimmung allein des Betriebsratsvorsitzenden reicht nicht.

Eine Betriebsvereinbarung muss immer schriftlich niedergelegt und vom Arbeitgeber und dem Betriebsratsvorsitzenden auf einer Urkunde unterzeichnet werden.

Im Unterschied zur Betriebsvereinbarung kann eine so genannte „Regelungsabrede“ formlos (also auch mündlich) vereinbart werden. Eine Regelungsabrede entfaltet aber keine der Betriebsvereinbarung vergleichbare normative Wirkung. Im Unterschied zur Betriebsvereinbarung kann die Regelungsabrede aber nicht nur generelle (kollektive) Regelungen enthalten, sondern auch individuelle.

Kann der Betriebsrat das Gericht anrufen?

Ja. Eigentlich muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass die Betriebsvereinbarung im Betrieb umgesetzt wird. Sie ist verbindlich und gilt genauso wie ein Gesetz. Hält der Arbeitgeber sich allerdings nicht an die Regelungen der Betriebsvereinbarung, kann der Betriebsrat das Gericht anrufen, um dort seinen Anspruch durchzusetzen.

Bei groben Verstößen kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Gewerkschaft vom Arbeitgeber verlangen, die Durchführung einer tarifwidrigen Betriebsvereinbarung zu unterlassen.

 

10. Was bewirkt die Einigungsstelle?

Die Einigungsstelle ist eine innerbetriebliche Schlichtungsstelle. In mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten tritt sie zusammen, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einigen können. Der Spruch der Einigungsstelle wirkt wie eine Betriebsvereinbarung.

Was ist eine Einigungsstelle?

Als Organ der Betriebsverfassung (§ 76 BetrVG) tritt die Einigungsstelle zusammen, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat sich in Fragen der Mitbestimmung nicht einigen können und das Gesetz die Einigungsstelle als Schlichtungsorgan vorsieht. Wichtigster Anwendungsfall der Einigungsstelle ist der § 87 BetrVG. Denn vor allem bei Mitbestimmungsfragen kann im Streitfall die Einigungsstelle angerufen werden. Im übrigen kommt die Einigungsstelle immer dann zum Zuge, wenn es im Gesetz heißt: „Kommt eine Einigung nicht zustande, entscheidet die Einigungsstelle“.

Eine der Parteien muss einen Antrag stellen. Die Einigungsstelle besteht aus der gleichen Anzahl von Beisitzern jeder der Betriebsparteien (Arbeitgeber und Betriebsrat) und einem unparteiischen Vorsitzenden. 

Ziel der Einigungsstelle ist es, bei einer Blockade eine Einigung zwischen den Betriebsparteien zu erzielen. Gelingt dies nicht, entscheidet die Einigungsstelle mit Stimmenmehrheit. Ein Spruch der Einigungsstelle ersetzt die fehlende Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Er wirkt genau wie eine Betriebsvereinbarung und ist für beide Betriebsparteien verbindlich.

Ist der Spruch der Einigungsstelle gerichtlich überprüfbar?

Ja. Insofern ist der Spruch der Einigungsstelle auch nicht das letzte Wort zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Beide Parteien haben die Möglichkeiten, den Spruch durch die Arbeitsgerichte überprüfen zu lassen. Letztlich kommt dies aber relativ selten vor. Vor allem ist zu bedenken, dass die Arbeitsgerichte nur begrenzt überprüfen können. 

Denn die Einigungsstelle hat im Grundsatz einen weiten Ermessenspielraum. Nur wenn sie diesen Spielraum überschreitet und die Belange der Arbeitnehmer oder des Betriebs nicht oder nicht angemessen berücksichtigt oder sich bei ihren Entscheidungen von sachfremden Erwägungen leiten lässt, kann der Spruch der Einigungsstelle angefochten werden. Das Arbeitsgericht kann hingegen nicht nachprüfen, ob die Interessenabwägung innerhalb des Spielraums zweckmäßig oder fehlerfrei durchgeführt wird.

Quelle-Bund Verlag